19. März 2024

Weg mit den trüben Aussichten

Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Johann Lang, Chefarzt der Augenklinik, möchte eine spezielle Form der Hornhauttransplantation am Uniklinikum wieder etablieren

Es ist faszinierend. Ein nur wenige Millimeter kleiner Schnitt am Rand der Hornhaut im Auge genügt dem Operateur schon. Durch dieses Löchlein entfernt er erkranktes Gewebe der Hornhaut, an dessen Stelle ein Transplantat tritt. Das ist eine Gewebeschicht, die dünner als ein Haar ist. Als Mini-Rolle wird sie durch den Schnitt eingeführt, vorsichtig ausgerollt und mithilfe einer Luftblase sanft an die richtige Stelle im Auge gedrückt. Dieser verhältnismäßig schonende Eingriff kann Patienten, die zuvor aufgrund einer Hornhauterkrankung wie durch einen Nebel geblickt haben, eine deutlich bessere Sehkraft zurückgeben.

Die hier beschriebene Operation ist eine Form der Keratoplastik. Kerato geht auf das griechische Keras (Horn) zurück. Keratoplastik meint einen Eingriff an der Hornhaut. Wenn dabei nur einzelne Gewebeschichten ersetzt werden, spricht der Experte von einer lamellären Keratoplastik. Genau dieses Verfahren – speziell im Bereich der hinteren Hornhaut – möchte Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Johann Lang am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel etablieren. Seit Ende vergangenen Jahres leitet er die Augenklinik am Uniklinikum. Die schonende Transplantation von einzelnen Teilen der Hornhaut wurde in der jüngeren Vergangenheit in Brandenburg an der Havel schon vereinzelt vorgenommen. Der neue Chefarzt, der am Universitätsklinikum Freiburg als Transplantationschirurg bereits einschlägige Erfahrungen auch mit dieser OP-Methode gesammelt hat, möchte sie im Sinne einer „optimalen Versorgung der Patienten zu einem ständigen Angebot machen“.

Profitieren können davon Patienten, die an Schäden des Endothels – das ist eine Schicht in der Hornhaut – leiden. Ein Beispiel für eine Erkrankung ist die Fuchs-Endotheldystrophie. Dystrophie bezeichnet einen „Fehlwuchs“. Und für Betroffene bedeutet das, dass die Endothelzellen ihren Job nicht mehr erledigen können. Normalerweise pumpen sie zuverlässig überschüssiges Wasser aus der Hornhaut. Quittieren sie ihren Dienst, lässt das Wasser die Hornhaut aufquellen. Sie wird trüb. Betroffene haben dann das Gefühl, wie durch ein Milchglas zu sehen. Zunächst treten die Symptome nur morgens auf und im Laufe des Tages wird das trübe Bild wieder klarer. Bei fortschreitender Krankheit aber bleibt das Bild trüb und die Flüssigkeitseinlagerungen schädigen die Hornhaut.


Helfen kann anfangs noch die Gabe von salzhaltigen Augentropfen, die der Hornhaut überschüssiges Wasser entziehen“, erklärt Prof. Dr. Stefan Johann Lang. Aber irgendwann bleibt nur noch der operative Eingriff. Eine Transplantation. In früheren Jahren wurde die komplette Hornhaut verpflanzt. Dabei wird die Spenderhornhaut mit Nähten fixiert. Die Fäden bleiben über Monate hinweg im Auge. Inzwischen aber ist die Transplantation einzelner Schichten der Hornhaut das Mittel der Wahl. Bei der von Prof. Dr. Stefan Johann Lang angebotenen DMEK, der Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty, werden nur die beiden hinteren Hornhautschichten eines Patienten ersetzt. Die Vorteile sind offensichtlich: „Wir arbeiten mit der Kleinschnitttechnik und wir müssen nicht nähen. Dadurch ist die Heilungsphase viel kürzer“, wie der Chef der Augenklinik betont. Außerdem bleibe so viel gesundes Gewebe wie nur möglich beim Patienten erhalten.

Nach nur wenigen Wochen ist der Schnitt in der Hornhaut verheilt. Schon anderthalb bis zwei Wochen nach der OP setzt bei den meisten Patienten eine deutliche Verbesserung der Sehkraft ein. Den Patienten wird allerdings empfohlen, nach dem Eingriff etwa 14 Tage lang etwas kürzerzutreten. Das heißt Verzicht auf körperlich schwere Arbeiten und sportliches Training. Auch Flugreisen sollten zunächst nicht angetreten werden. Denn im Auge ist ja für einige Zeit noch die Luftblase, die die hauchdünne transplantierte Membran in Position halten soll.

Bei der Einschätzung möglicher Komplikationen ist – wie bei jeder Operation mit Eröffnung des Auges – das Risiko einer Entzündung zu nennen. „Die Folgen einer Entzündung sind für den einzelnen Patienten gravierend. Aber sie kommt extrem selten vor“, betont der Direktor der Augenklinik. Anders als bei Organtransplantationen brauchen die wenig durchbluteten Gewebeschichten der Hornhaut kein perfektes Matching. Das verkürzt die Wartezeiten auf das Spendergewebe – hier geht es um einige Wochen oder Monate – und es gibt kaum Abstoßungsreaktionen.

Am häufigsten tritt bei einer DMEK das Problem auf, dass die transplantierte Gewebeschicht doch nicht perfekt sitzt und der Patient nicht klar sehen kann. Das lässt sich aber korrigieren. Mit einer zweiten, gerade einmal fünf Minuten dauernden OP mit lokaler Betäubung. Dabei wird noch einmal eine Luftblase auf den Weg ins Auge gebracht. Der Experte nennt das „Re-Bubbling“.

Eine Erfolgsgarantie gebe es nicht, erklärt der Mediziner. Aber die Erfolgsquote sei hoch. Und außerdem: „Man vergibt sich mit diesem Eingriff nichts.“ Denn die Transplantation könne ein weiteres Mal versucht werden. Stellt sich der Erfolg immer noch nicht ein, bleibt die Option, eine komplette Hornhaut zu transplantieren. Denn eines ist klar: Sehen ist ein wichtiger Faktor im alltäglichen Leben und im Beruf. „Im Alter ist gutes Sehen eine Sturz- und Demenzprophylaxe“, ergänzt Prof. Dr. Stefan Johann Lang.

 

Klinik für Augenheilkunde
Chefarzt: Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Johann Lang
Sekretariat: (03381) 411950
augen.ambulanz@uk-brandenburg.de

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